Übersetzer und Lektoren haben es schon lange geahnt: Die deutsche Sprache hat einfach zu viele Worte. Niemand kann sie alle kennen. Wolfgang Klein, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik, gibt ihnen Recht: Er kommt in dem aktuellen Bericht „Reichtum und Armut der deutschen Sprache“ zu einem überraschenden Ergebnis. Die deutsche Sprache habe 5,3 Millionen lexikalische Einheiten – also Wörter, so wie sie im Wörterbuch stehen. Damit habe sich die Wortanzahl im 20. Jahrhundert verdreifacht.
Wer nun allerdings sofort an Computer und Internet denkt, wird gleich noch ein weiteres Mal überrascht: Die meisten neuen Worte gab es in der ersten Jahrhunderthälfte, vor allem im Bereich der Gebrauchstexte, Wissenschaft und besonders Zeitungen. Und das waren hauptsächlich nicht modische Anglizismen oder Fremdwörter, sondern Komposita.
Zum Vergleich: Das „Oxford Dictionary of English“ hat derzeit etwa 620.000 Stichwörter, der für die französische Sprache maßgebliche „Grand Robert“ sogar nur 100.000. Allerdings setzt auch der Duden den Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache nur auf 300.000 bis 500.000 Wörter an, berücksichtigt dabei aber nur die Grundformen.
Ob die deutsche Sprache die meisten Worte hat, ist also umstritten. Unbestrittener Sieger ist sie aber bei Bandwurm-Worten. Eine bekannte Zeitung mit nur vier Buchstaben hat die längsten deutschen Worte aufgelistet (alle wurden nachweislich in verschiedenen Texten verwendet):
1. Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung
2. Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz
3. Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft
4. Gleichgewichtsdichtegradientenzentrifugation
5. Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz
6. Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz
7. Hochleistungsflüssigkeitschromatographie
8. Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus
9. Telekommunikationsüberwachungsverordnung
10. Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz